Re-Formation auf Katholisch ... Psalm zur Lage der Kirche in Deutschland

Re-Formation auf Katholisch ... Psalm zur Lage der Kirche in Deutschland

Re-Formation auf Katholisch ... Psalm zur Lage der Kirche in Deutschland

# Geistlicher Impuls

Re-Formation auf Katholisch ... Psalm zur Lage der Kirche in Deutschland


Ach, Herr ...

Das Loblied am Morgen

hängt zwischen den Zähnen fest

kann nicht heraus, denn das Herz klagt

 

Ach, Herr ...

Man sagt:

Unter jedem Dach ein Ach

Unter dem großen Dach

der Kirche ein großes Ach –

Klage und Anklage

Einst sangen wir Loblieder

Ein Haus voll Glorie schauet

weit über alle Land

und nun bleibt uns nur:

Herr, erbarme dich.

 

Vielleicht waren

die Loblieder von einst

Vielleicht waren

die Loblieder von einst

zu vollmundig

 

Vielleicht haben wir

die Kirche zu sehr

auf den Sockel gestellt,

den Heiligen Vater in Rom

fast mit dir verwechselt –

Zu viel Oberhirten

und Exzellenzen

zu wenig Hirtendienst

zu viel Glanz und Gloria

zu viel Macht und Geld

zu viel Behörde –

ein geschlossenes System

mit eigener Logik,

weltfremd und

immer im Recht

 

 

Eine Kirche,

die um sich selber kreist,

der es um das eigene Ansehen ging,

die so eine Fassade aufbaute,

und die die Risse

in der Fassade überpinselte

 

Ach, Herr… ...

Wir klagen,

sind erschüttert

über den Missbrauch

der Macht

und der Menschen,

über die kindlichen Opfer

und ihre oft gebrochenen Seelen.

 

Kaltherzig

wurden sie behandelt,

wie Zahlen einer Statistik,

man glaubte ihnen nicht,

sie bekamen kein Gesicht.

Wir sind erschüttert

über das Verschweigen

und Vertuschen und Hinwegsehen

und die nicht wahrgenommene Verantwortung –

[…]

 

Wir hören die Frage Jesu

an seine Jünger:

Wollt nicht auch ihr gehen?

Und wir hören die Frage an uns:

Was hält euch eigentlich noch?

 

Ach Herr, die Kirche liegt am Boden,

wird ausgezählt wie im Boxring.

Knock down, total.

Im Ranking des Vertrauens steht sie ganz unten.

Aber jetzt – ganz unten,

fast am Nullpunkt –

könnte das Entscheidende kommen.

Wie der Suchtkranke,

der herauswill aus der Sucht,

an den Nullpunkt muss ...

Der Umschwung ...

Die Wege zurück ins Alte

sind versperrt.

Jetzt ist die Stunde der Wahrheit

und der Einsicht.

Jetzt: die Bescheidenheit

und die Demut.

Eine gründliche Reinigung.

Mehr als üblicher Hausputz.

Der Verzicht auf den Glanz

und die bröckelnde Macht

und die Selbstbeweihräucherung.

 

Radikale Ehrlichkeit.

Akzeptanz und Liebe

auch zu denen, die Du, Gott,

anders geschaffen hast

und die sich jetzt

aus den Verstecken wagen.

 

In einem Wort gesagt:

Es steht an - Umkehr.

Zu Jesus.

Zu einer Re-Form der Gemeinde,

wie er, Jesus, sie gedacht hat.

Offen für alle.

Männer und Frauen gleich.

Alle, wirklich alle: willkommen.

Ach Herr –

lieber Vater:

Schenke uns und der ganzen Kirche,

dass wir diese Stunde nicht verjammern,

auch nicht verharmlosen,

nicht vertrödeln,

nicht business as usual machen.

Schenke uns und der ganzen Kirche,

dass wir das Gute bedenken,

dass der Glaube uns

gegeben hat und gibt.

 

Dass wir in uns

das Bild Jesu Christi leuchten lassen,

des Mitgehers.

Dass wir Skandale

als Alarmzeichen ernst nehmen,

aber nicht für das Ganze halten.

 

Herr, die Kirche ist vorläufig – und sündig.

Du bist ewig – und heilig.

Lass uns besonnen sein

und wieder glaubwürdig werden.

Denn alles, was der Heilung dient,

ist da - muss erkannt,

genutzt und gelebt werden.

„Wir gehen nicht unter,

wir gehen auf - In Dir.“


 

Bischof Franz Kamphaus (1941-1924)     


 

Der Limburger Altbischof Franz Kamphaus hat am 2. Februar 2022 seinen 
90. Geburtstag gefeiert und anlässlich dieses Ereignisses den Psalm zur Lage der Kirche in Deutschland geschrieben. Von 1982 bis 2007 war er Bischof des Bistums Limburg. Nach seiner Emeritierung zog sich Kamphaus in das Sankt Vincenzstift in Rüdesheim-Aulhausen zurück, wo er mit geistig behinderten und mehrfach eingeschränkten Menschen bis zu seinem Lebensende zusammen lebte.

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